Kräuter aus Hydroponik-Anbau in Rinnenkultur

Durch die nationale und europäische Gesetzgebung ist das Inverkehrbringen von Plastik wie z.B. als Kulturtopf und Pflanzentray zunehmend mit finanziellen und gesetzlichen Auflagen verbunden. Jüngstes Beispiel dafür ist, dass die Europäische Union mit Wirkung zum 01.01.2021 eine Abgabe in Höhe von 0,80 Euro pro Kilogramm nicht recyceltem Plastik-Verpackungsmüll plant. Die Abgabe wird gegenüber den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU erhoben und soll dazu dienen, die Menge des nicht recycelten Plastik-Verpackungsmülls zu reduzieren.

Das ist ökologisch wünschenswert, stellt für den Gartenbau und den Handel aber dennoch eine Herausforderung dar. Daher überrascht es nicht, dass plastikfreie Lösungen für unsere Kunden im Organisierten Handel und im Fachhandel sehr interessante Alternativen darstellen.

Zusätzlich zu vielen weiteren Projekten rund um das Thema Kunststoffreduzierung etwa im Bereich kompostierbarer Töpfe arbeiten wir aktuell auch an Möglichkeiten, Kräuter als kunststofffreies Produkt zu vermarkten. Ein interessanter Ansatz dabei ist die so genannte Hydroponik, die aus dem Erwerbs-Salatanbau bereits bekannt ist. Dazu haben wir im Spätsommer einen Kulturversuch im Musterhaus in Lüllingen durchgeführt.

Der Begriff Hydroponik leitet sich aus den griechischen Wörtern „hydro“ für Wasser und „ponos“ für Arbeit ab. Im Gartenbau steht Hydroponik für ein Verfahren zur Aufzucht und Kultivierung von Zier- und Nutzpflanzen in einem (hydroponischen) Wasser-System. Dabei hängen die Wurzeln einer Pflanze in einer Nährlösung, die aus Wasser und darin gelösten Nährstoffen besteht. Wissenschaftlich etabliert und wirtschaftlich realisierbar sind dabei die Anbauformen als Schwimm- oder Rinnenkultur. Beide Techniken sind am Markt zu finden und werden für Schnitt-Salatpflanzen oder Salat mit Wurzelballen bereits bei Mitgliedsbetrieben eingesetzt.

Bei unserem Kulturversuch in Lüllingen mit rotem und grünem Basilikum, krauser Petersilie und Zitronenmelisse kam die Rinnenkultur zum Einsatz. Hierbei wurden Kräuter-Jungpflanzen nach der Anzucht auf Bio-Plugs aus Jute zusammen mit den Juteballen in wiederverwertbare Siebtöpfe getopft und in die mit einer Nährstofflösung gefüllte Hydroponik-Rinne gesetzt. Die Pflanzen werden während der gesamten Kulturdauer im geschlossenen Rinnen-Kreislaufsystem mit einer spezifisch kontrollierbaren Nährstofflösung versorgt. Fünf Wochen nach der Aussaat zeigten die versuchsweise angebauten Kräuter einen gesunden Aufwuchs, der vergleichbar mit Kräutern aus dem konventionellen Anbau ist. Schnellwachsende Kräuter sind für den Anbau in Hydroponik als Rinnenkultur folglich technisch geeignet.

Inzwischen beschäftigen sich auch schon die ersten Produktionsbetriebe mit dem Thema Hydroponik bei Kräutern. Für die Vermarktung als nachhaltiges Produkt ist darüber hinaus die Entwicklung einer kunststofffreien Tüte denkbar, etwa aus nassfestem Papier.

Die Übertragung des erfolgreichen Kulturversuches in Lüllingen auf eine Mengenproduktion in den Betrieben wird sicherlich mit hohen Investitionskosten verbunden sein, um optimale technische und klimatische Bedingungen für die Hydroponik zu schaffen. Mit abgestimmten Kundengesprächen, einem planbaren Vermarktungspotenzial sowie einer fachlichen Unterstützung der Betriebe stellt der Hydroponikanbau von Kräutern eine alternative, neuartige Anbauform im Erwerbsgartenbau dar.

Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, dass Hydroponik Marktpotenzial besitzt. So bietet Aldi Süd seit Mai in Kooperation mit einem Berliner Startup-Unternehmen in ausgewählten Filialen Minze, Basilikum, Koriander und weitere frische Kräuter an, die in den Filialen in sogenannten Indoor-Farmen auf mehreren Ebenen übereinander wachsen. Die Pflanzen erhalten dabei in der kontrollierten Anbau-Umgebung genau das Licht, das Wasser und die Nährstoffe, die sie zum Wachsen benötigen.

Der erfolgreiche Kulturversuch in Lüllingen zeigt, dass der Hydroponik-Anbau auch für unsere Erzeugergenossenschaft keine allzu ferne Zukunftsvision sein muss.