Eine Kolumne von Anke Schmitz

Über den Sommer entwickelt sich der Herbst für mich jedes Jahr erneut zum lang ersehnten Gärtnertraum. Denn über die heißen Monate entsteht in mir ein regelrechter gestaltungswilliger Triebstau, der sich nun im Herbst endlich entladen kann. Nach Monaten, in denen ich die Hände aus der Erde lassen musste, ist mit der Aufhebung der Versandpause der Staudengärtnereien finally die Jahreszeit angebrochen, in der mein Garten wieder modulierbar ist. Es beginnt der kreative Funpart im Gartenjahr! Doch der Rausch der Möglichkeiten, birgt auch seine Herausforderungen.

Warten auf den Herbst

Der Sommer bedeutet für mich zunächst einmal den Garten zu genießen und zu versorgen, sprich über die Runden zu bringen und seiner Entwicklung beizuwohnen. Und so bin ich zunächst noch ganz angetan von der Opulenz des satten Grüns während ich tagtäglich die Beete abschreite, umsorgend mit dem Schlauch mal hier mal dort mit Wassergaben aushelfe, Unkräuter ziehe und mit der Schere dezent Triebe einkürze. Über die Sommerwochen geht es in meinem Kopf auf meinen Rundgängen allerdings zunehmend hitziger zu. Sukzessive formulieren sich hoch kategorische Gedanken, welche Pflanzen im kommenden Jahr aus ästhetischen Gründen das Beet verlassen müssen und vielleicht noch umgesetzt werden können oder aber doch asap Zutrittsverbot in meinen Garten erhalten, also auf dem Kompost landen werden. Mich beginnen auf meiner Patrouille wiederkehrende Reueattacken darüber zu geißeln, dass ich vor ein paar Jahren den heimischen Dost gegen jeglichen Rat und jede Ratio pflanzte und er nun doch in seiner Ausbreitungswut ziemlich lästig wird und phasenweise empfinde ich eine tiefe Enttäuschung über die gähnende Langweile der Blühpause im Juli, die mein mehrjähriger anhaltender Trip, überwiegend heimische Stauden anzusiedeln, ins Gartenjahr gerissen hat.

Sommerzeit heißt Warten auf den neuen Start der Gartenarbeit
(c) Sabrina Rothe

Als mögliche Lösung entstehen vor meinem inneren Auge für jedes Beet individualisierte Pflanzenlisten, die sich ab dem Frühsommer täglich updaten und bei meiner Gartenvisite auf Wiedervorlage gelegt werden. Als weitere Sofort-Maßnahme scrolle ich am Rechner mit begehrlichem Blick durch die Online-Kataloge der Gärtnereien oder die Feeds meiner Instagramheld*innen. Das Bedürfnis, die Pflanzschaufel in die Hand zu nehmen und loszulegen, steigert sich über die 6 bis 8 Wochen Sommerhitze ins nahezu Unermessliche. Mit jedem Tag fällt es mich schwerer, Ruhe zu bewahren, den Garten zu genießen, denn meine Hände wollen so tief es geht in die Erde. Ich will endlich den Dreck unter meinen Nägeln spüren und mir mit schmutzigen Händen Haarstränen aus der mit Schweißperlen benetzten Stirn streichen. Ich will den Spaten tief ansetzen und aktiv alle diese unguten Gefühle wegpflanzen … warten auf den Herbst.

Endlich wieder Dreck unter den Nägeln spüren
(c) Sabrina Rothe

Endlich ist er da!

Und auf einmal merkt man meist gegen Ende August, dass der Sommer nachlässt, dass die ganz große Hitze vorüber ist, dass das Gras am Morgen noch nebelfeucht daliegt, so dass man die ersten Pflanzarbeiten doch langsam wagen könnte … Doch Stop! Bamm! Schlagartig war ich in der Vergangenheit jedes Jahr erneut planlos. Geistiger Notstand. Wüste. Was sollte noch genau in das eine Beet, welche zwei Wochen waren nicht so prall von der Blüte? Was war jetzt am Ende die beste Pflanze für diese oder jene Stelle? All meine großen Gedanken und Gefühle zerschmolzen angesichts meiner gegenwärtigen Möglichkeiten und meiner begrenzten Merkfähigkeit, so dass ich alljährlich vergaß manche Pflanzen zu kaufen, Stauden bestellte, von denen ich dann gar nicht mehr genau wusste, in welches Beet sie gesetzt werden sollten und die Stückzahlen entsprangen meist einzig meinem Bauchgefühl. Verschollen geglaubte Pflanzvorhaben, die ich mich nach und nach wieder erinnerte, ließen mich bereits gesetzte Neuankömmlinge bereuen. Das Chaos bei der doch so herbeigesehnten Pflanzenorgie war perfekt.

Der Herbst taucht auch den Garten in goldene Farben
(c) Sabrina Rothe

Ordnung macht den halben Herbst!

Doch in diesem Jahr hatte ich meine Launen im Sommer besser im Griff. Ich erinnerte mich an meinen ehemaligen Chef im Schlossgarten, der die Dokumentation der Arbeiten und geplanten Änderungen im Park zum Amüsement der Azubis wichtig nahm, täglich in seinen Notizen nachschlug und nach Feierabend aktualisierte. So habe ich nach dem Overload der letzten Jahre erstmalig meine unzähligen Pflanzenwünsche mitgeschrieben und vor meinen Pflanzenbestellungen sortiert. Jetzt hab ich den Masterplan für 2023. In manchen Beeten ist bloßes Feintuning angesagt, an anderen Stellen werde ich schon etwas rauer ran müssen. Die Vorstellung, wie das Ganze dann im nächsten Jahr aussehen könnte, versetzt mich jetzt schon in Verzückung und dann gilt es nur noch bis zum Frühjahr die Füße still zu halten.

Über die Autorin

Die Autorin Anke Schmitz
Foto: (c) Sabrina Rothe

Anke Schmitz‘ Herz schlägt für Gärten und Menschen. Als Kunsthistorikerin und gelernte Gärtnerin hat sie ihre Wurzeln in der Gartendenkmalpflege. Meist führt Anke Interviews mit ganz verschiedenen Gartenmenschen, die u.a. in der Gartenpraxis, bei Zeit Online oder im eigenen Blog „Grünes Blut“ erscheinen.

Sie freut sich sehr, dass sie für „Blattgrün“ erneut eine Kolumne schreiben darf!