Eine Kolumne von Anke Schmitz

Er ist da! Spätestens ab Ende November, wenn die letzten Blätter von den Bäumen gefallen sind, freue ich mich schon auf ihn. Vor meinem inneren Auge sehe ich üppiges Grün, Blütenköpfe in Orange, Gelb, Pink und Blau, pointillistisch gesprenkeltes Morgenlicht, das verklärt durch meinen kleinen Birkenhain auf den Rasen fällt. Es duftet nach frisch gemähter Wiese, untermalt wird die Szenerie von dem schüchternen Summen der ersten Hummeln des Tages. In Gedanken rücke ich mir bereits meinen Liegestuhl zurecht. Die Zeit scheint in einen einzigen Marmeladenglasmoment still zu stehen, deklariert mit der besten aller Jahreszeiten: Sommer!

Die trockene Wirklichkeit

Aber die Realität kam etwas weniger schillernd daher. Spätestens ab Juli begannen meine Hortensien bereits am Morgen zu schlappen. Der Rasen wurde ab der zweiten Hitzewoche von den Rändern her braun, so dass einzig die Kleeflecken noch grün hervorstachen und die Herbstanemonen wurden jährlich mickeriger.

Mein ökologisches Gewissen, diese Pflanzen von einem heißen Sommer zum nächsten zu päppeln, wurde von Gartensaison zu Gartensaison schlechter. Was tat ich da nur? Trotz des hohen Wasserverbrauchs erntete ich diesen vorwurfsvollen Anblick. Das fühlte sich für mich hinsichtlich der Prognosen für die kommenden Jahrzehnte wirklich nicht zeitgemäß an. Meine Loyalität gegenüber diesen immer durstigen Pflanzen schwand langsam wie die Anemonen. Mein Blick auf diese nimmersatten Gartenbewohner wurde liebloser.

Griff zur Radikallösung

Eines Tages setzte ich dann beherzt den Spaten an. Ein Befreiungsschlag! Zuletzt flogen schweren Herzens die Hortensien und damit die Reminiszenz an meine zahlreichen Cornwall Besuche raus. Parallel stellte ich einzelne Beete auf „trockenheitsverträglich“ um und sonnte mich fortan als selbsterklärter Gutmensch gegenüber der Nachbarin, die noch allabendlich den Sprenger aufstellte, in dem Gefühl der moralischen Überlegenheit. Ich tat es brav den angesagten Staudengärtnereien nach, die bereits zukunftsweisend ihr Sortiment auf trockenheitstolerant umgestellt hatten. Wenn mir dann jemand von einem Rittersporn berichtete, den es sich doch für die Gartenkultur weiterhin lohne zu gießen, war das für mich ein klares Zeichen von Schwäche. Reaktionär. Der Rittersporn hatte in meinen Augen doch ganz offensichtlich ausgedient und davor wollte man selbige verschließen. Klingt gefährlich, oder?!

Argumente für mehr durstiges Grün

Was mich dann doch von meinem hohen Ross runterholte und mich die Sache etwas ausgewogener sehen ließ, war ein Interview, dass ich für ZeitOnline führte. Ich sollte darin Tipps und Tricks erfragen, wie ich meinen Garten klimafest machen kann und wurde überrascht. Denn so kritisch äußerten sich die Gartenprofis gar nicht zum Gießeinsatz. Insbesondere auf dem Balkon sei das Gießwasser tatsächlich als Investition in das eigene Kleinklima zu verstehen, was sowohl Mensch als auch Tier an Hitzetagen zuträglich wäre. Die durstigen Bäume im Garten wären nicht nur super, um Schatten zu spenden, was dem Rasen zu gute kommt, sondern kühlten mit ihrer Verdunstung ebenfalls die nähere Umgebung.

Bäume für ein besseres Klima

Und tatsächlich, dachte ich da, sind das eben genau die Argumente, die für mehr Grün im öffentlichen Raum von den Gartenbauverbänden angeführt werden. Auch diese zielen auf die Kühlschrankwirkung ab. An Unis und FHs finden zahlreiche Untersuchungen zu klimatauglichen Bäumen statt, die dabei helfen sollen, die aufgeheizten Städte durch kühlere Temperaturen lebenswerter zu machen. In manchen Studien werden sogar Rankpflanzen mit aufgenommen und vertikale grüne Wände nach dem Vorbild eines Patric Blank finden sich mittlerweile nicht mehr nur in Innen- sondern auch in Außenräumen. Als prominentes Vorzeigeprojekt kann wohl der komplett mit Hainbuchen bepflanzten Kö-Bogen II in Düsseldorf genannt werden.

Investitionen, die sich lohnen

Wieso also sollte in meinem Garten nicht gelten, was sich in der Stadt oder auf dem Balkon auszahlt? Wieso das Wasser nicht auch hier als Investition sehen? Igel, Spitzmaus und Kröte werden es ebenso wie meine Familie zu schätzen wissen. Wie so oft scheint auch hier die Wahrheit zwischen den Extremen zu liegen und es sowohl für ein Sortiment mit trockenheitsverträglichen Pflanzen als auch für durstige Gewächse gut vertretbare Argumente zu geben.

Ich habe jedenfalls meine Erinnerung an die cornische Küste wieder ins Beet gepflanzt … zwar nicht mit Hortensien, dafür aber mit Montbretien, Clematis, Farnen und Minze, die ich momentan hin und wieder einfach gießen muss, damit es gut aussieht. Und ja! dadurch kostet mich das Beet in der Tat etwas mehr Zeit, die ich dafür weniger im Liegestuhl verbringe. Aber ich habe dabei kein schlechtes Gewissen mehr.

Über die Autorin

Die Autorin Anke Schmitz
Foto: (c) Sabrina Rothe

Anke Schmitz‘ Herz schlägt für Gärten und Menschen. Als Kunsthistorikerin und gelernte Gärtnerin hat sie ihre Wurzeln in der Gartendenkmalpflege. Meist führt Anke Interviews mit ganz verschiedenen Gartenmenschen, die u.a. in der Gartenpraxis, bei Zeit Online oder im eigenen Blog „Grünes Blut“ erscheinen.

Sie freut sich sehr, dass sie für „Blattgrün“ ihre – und auch unsere – erste Kolumne schreiben darf!